Wäre die gegenstandsfreie, rein farbbezogene Malerei hierzulande eine große Sache, so wäre Rolf Rose einer ihrer stillen Stars. Es ist ein Verdienst von Petra Oelschlägel, der Leiterin des Kunstmuseum Villa Zanders, dass sie sich seit Jahren dieser speziellen Disziplin der zeitgenössischen Kunst in monographischen Ausstellungen widmet. Nun also der Hamburger Maler Rolf Rose, sinnvoller Weise zu seinem 90. Geburtstag und mit einer Werkübersicht. Zwar kann die Ausstellung in den Sälen, Zimmern und Kabinetten der Villa Zanders die Serien – und damit das intensive „Dranbleiben“ an einzelnen malerischen Verfahren – lediglich exemplarisch ausbreiten, aber sie hebt umso mehr die Zusammengehörigkeit von allem hervor und verdeutlicht mit ihren tollen Blickachsen den Reichtum der Ideen. Rose arbeitet frei von jeder Dogmatik. Er bleibt stattdessen, wie er auch im Pressegespräch erwähnt, spielerisch und experimentell.
Und dann schreiten wir durch die Räume der Villa Zanders und sehen die frühen Buchstaben-Bilder ebenso wie tonal aufgewühlte einfarbige Bildflächen oder die anschließende vertikale Strukturierung durch gleichmäßig gesetzte Rillen. Viel später sind die bunten Strichführungen und die Farbblöcke entstanden – mit einem Mal war für Rolf Rose alles möglich. Ausgestellt sind Gemälde mit verschiedenen Malmaterialien auf unterschiedlichen Bildträgern aus dem Zeitraum 1970 bis 2020, dazu Künstlerbücher und einige Kleinskulpturen, die auf konstruktiven Strukturen basieren und erst recht die Essenz der Farbe vor Augen führen. Rose verwendet dazu ein Grau, das von Graphitpigmenten durchsetzt ist. Auch in seinen Gemälden findet sich immer wieder das Graphit: als dichte Fläche oder durchschimmernd und die leuchtende Helligkeit dimmend. Nicht glitzern sollen die Malereien, sondern glimmen, sagt Rolf Rose selbst: Tiefe besitzen und präsent sein. Ein weiteres ist das Licht, das zugleich die Wahrnehmung verändert. Zu unterschiedlichen Tageszeiten sehen diese Gemälde verschieden aus.
Rose arbeitet mit dem Pinsel ebenso wie mit dem Spachtel und mit dem Rakel. So zieht er kreisförmige Scheibensegmente, die in ihrer massierten Schichtung im Verbund mit der horizontalen Ausrichtung landschaftliche Anklänge vermitteln können – und doch vor allem farbliche Erlebnisse sind. Und nachdem er im Laufe von mehr als sechs Jahrzehnten die Farbtöne erst in vielen Aufträgen geschichtet und dann wieder fetzenhaft freigelegt hat, setzt er sie mittlerweile nebeneinander und breitet sie als vibrierende Buntheit aus. Das alles ist opulent, riskant und kontrolliert und es ist leidenschaftlich geschaffene Malerei. Man kann sich in seine Bilder versenken und spirituelle Tiefe erfahren. Man kann beobachten, wie Rose die Farben setzt und mit seinen Malmitteln formt, wie die Farbe zur Materie wird, Dynamik vermittelt und gleichzeitig in sich ruht. Wie er Binnenfelder schräg in das Bildformat einfügt. Und dann sagt Rolf Rose, umgeben von seinen Bildern, noch: Die Bedeutung liegt für mich in dem, was ich mache, im Tun. Und dass ihm das bis heute großes Vergnügen bereitet: Auch davon berichten seine Malereien.
Rolf Rose: Malen sehen | bis 3.3. | Kunstmuseum Villa Zanders in Bergisch Gladbach | 02202 14 23 34
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Papier und seine Grenzen
Michael Buthe im Kunstmuseum Villa Zanders
Mit Papier zu den Elementen der Natur
Neue Sammlungspräsentation in Bergisch Gladbach
Geschichten in den Trümmern
Jenny Michel in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach – kunst & gut 10/24
Farbe an Farbe
Otto Freundlich und Martin Noël in Bergisch Gladbach – Kunst in NRW 06/24
Farbsehen und Raumfühlen
Mechtild Frisch in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach – kunst & gut 07/23
Bücher ausstellen
„Bibliomania“ im Kunstmuseum Villa Zanders – kunst & gut 11/22
Kleine Wunder
Inge Schmidt in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach – kunst & gut 07/22
Leicht aus der Balance
Otto Nemitz im Kunstmuseum Villa Zanders
Der Mensch bei sich
Hede Bühl in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach – Kunst in NRW 03/21
Ein genaues, insistierendes Sehen
Reihe Ortstermin: Jutta Dunkel und Martin Rosswog im Kunstmuseum Villa Zanders – kunst & gut 10/20
Stühle in Schieflage
Im Überblick: der Universalkünstler Stefan Wewerka in der Villa Zanders – kunst & gut 03/20
Auf den Raum hin, mit den Künstlern
Sammlung Altmann und Howard Smith in der Villa Zanders – kunst & gut 08/19
„Was ist ,analoger‘ als der menschliche Körper?“
Kuratorin Elke Kania über „Zeit-Bilder.“ im Aachener Kunsthaus NRW Kornelimünster – Interview 01/25
Mehr als Bilder an der Wand
„Museum der Museen“ im Wallraf-Richartz-Museum – kunst & gut 12/24
Vorgarten der Unendlichkeit
Drei Ausstellungen zwischen Mensch und All – Galerie 12/24
Vorwärts Richtung Endzeit
Marcel Odenbach in der Galerie Gisela Capitain – Kunst 11/24
Mit dem Surrealismus verbündet
Alberto Giacometti im Max Ernst Museum Brühl des LVR – kunst & gut 11/24
Außerordentlich weicher Herbst
Drei Ausstellungen in Kölner Galerien schauen zurück – Galerie 11/24
Fragil gewebte Erinnerungen
„We are not carpets“ im RJM – Kunst 10/24
Ein Himmel voller Bäume
Kathleen Jacobs in der Galerie Karsten Greve – Kunst 09/24
Leben/Macht/Angst
„Not Afraid of Art“ in der ADKDW – Kunst 09/24
Lebenswünsche
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln – Kunst 09/24
Die Freiheit ist feminin
„Antifeminismus“ im NS-Dokumentationszentrum – Kunstwandel 09/24
Atem unserer Lungen
„Body Manoeuvres“ im Skulpturenpark – kunst & gut 09/24