Zu den Ausstellungshäusern, die sich um die Kölner Kunstszene der vergangenen Jahrzehnte verdient gemacht haben, gehört die Villa Zanders in Bergisch Gladbach. Nach Wolfgang Niedecken, Mary Bauermeister und Karlheinz Stockhausen folgt mit Stefan Wewerka ein weiteres Schwergewicht. In Köln hat Wewerka (1928-2013) zunächst von 1954 bis 1962 gelebt und gearbeitet. 1973 ist er aus Berlin zurückgekehrt und hat ab 1977 an der Fachhochschule unterrichtet.
Wewerka war Sohn eines Bildhauers, er selbst hat in Berlin Architektur studiert und zunächst auch praktiziert. Seine Tätigkeit führt ihn in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre nach Paris und Washington, wo er bereits an Gegenentwürfen zur gängigen Architektur arbeitet. Zu seinen frühen Utopien gehören ab 1958 die Zeichnungen von „Erdarchitekturen“: Wewerka strebt mit diesen Entwürfen die Einheit von Topographie, Vegetation und Architektur an. Es ist dann die freie Kunst, mit der er der Überlegung, wie sich der Mensch mit und in der Zivilisation einrichtet, nachgeht. Auf den Bau der Berliner Mauer, die Ost- und Westdeutschland trennt, hat Wewerka schon 1961 reagiert und Teilungen von Papieren und Fotografien vorgenommen. Prägnant sind seine Zersägungen von Stühlen. Der Stuhl gerät ins Kippen und muss durch die Wand gestützt werden, in der sich das Objekt wieder zur Einheit zu ergänzen scheint. Oder er gerät eben in die Schieflage – die Ausstellung in Bergisch-Gladbach gibt einen guten Einblick in Wewerkas Erfindungsreichtum und das Spektrum seiner Realisationen, die von dem hälftig getrennten und mit Scharnier „umklappbar“ verbundenen „Fünf-Mark-Stück“ (1966) bis zur ausfahrbaren Wohneinheit reichen, etwa der famosen „Cella mit Küchenbaum und Einschwinger“ (1984) aus der Sammlung des KOLUMBA.
Der Tüftler Stefan Wewerka hat zudem das Potential der Dinge selbst befragt: Bei ihm werden die Stühle, die er auch gebogen, verschoben und gefaltet hat, zum Synonym für menschliche Verhaltensweisen und ihre Beziehungen zueinander. Einzelne sind als experimentelles Design in Serie gegangen, etwa der „Aufsehersitz (Wärterstuhl)“, der auf der Kasseler documenta 1987 zum Einsatz kam. Auf dieser documenta trat Wewerka noch als Schöpfer eines Pavillons hervor, der anschließend als Ausstellungshalle an den Aasee in Münster transloziert wurde: Also auch hier besteht die Kunst darin, den Blick auf (andere) Kunst zu lenken. Sie wird unsichtbar. Aber sie ist durchdacht, komponiert. Anhand der Skizzen in der Villa Zanders erkennt man, wie Wewerka bei seinen schiefen Stühlen systematisch den Bezugspunkt verschoben und damit skulpturalen Fragen der Schwerkraft und der Balance nachgegangen ist. Die Themen und Sujets dafür sind außer der Architektur und dem Möbeldesign die Mode, aber auch Aspekte der Politik und der Urbanistik, und eine „Waffe“ Wewerkas ist die Theatralik, die ihn in Verwandtschaft zu den Fluxus-Künstlern setzt. In einer Fotoserie fällt er kerzengerade, auf einem Foto scheint er den Kölner Dom zu verschieben. Der Mensch ist mit seiner Körperlichkeit immer dabei. An der Schau in Bergisch Gladbach hätte Wewerka seinen Spaß gehabt.
Stefan Wewerka – Dekonstruktion der Moderne | bis 19.4. | Kunstmuseum Villa Zanders in Bergisch Gladbach | 02202 14 23 34
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