Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.582 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Alles blau im Blue Shell
Foto: David Gruber

Wenn das Lachen verstummt

19. November 2015

„The word is not enough“-Poetry Slam am 15.11. im Blue Shell in Köln

Schon seit vielen Jahren veranstaltet Moderator Alexander Bach den „The word is not enough“-Poetry Slam im Kölner Blue Shell. Wie der Veranstaltungsname schon erahnen lässt, bedient man sich der James Bond-Ästhetik: Zwischen den Slam-Runden ertönen die Soundtracks der Filme, der Moderator hat sich in einen schicken Smoking geworfen. Er bezeichnet den Poetry Slam treffend als „Armdrücken der Worte“ und so haben sich sieben Verbal-Dichter eingefunden, um auf der Bühne mit ihren Texten gegeneinander anzutreten. Über den Sieger darf das zahlreich erschienene Publikum mit Hilfe von Stimmzetteln entscheiden.

Wie es bei Poetry Slams oft der Fall ist, sind sehr viele der Beiträge deutlich in das Genre der „Comedy“ einzuordnen, denn diese erfreuen sich meist auch der größten Beliebtheit beim Publikum. Auch an diesem Abend überwog der Anteil der humorvollen Texte, es gab jedoch auch den einen oder anderen Slam-Poeten, der ernsthaftere Töne anschlug. Wie zum Beispiel Leonie Ader, die die Geschichte einer Freundin erzählt, die sich schnell als ihre größte Feindin entpuppte. Es geht um die Magersucht als zerstörerische Begleiterin des Alltags, die am Ende zum Glück in die Flucht geschlagen werden kann. In dieselbe Kerbe schlägt Annika Hilger. Sie tritt zwar zum ersten Mal bei einem Poetry Slam auf, kann jedoch mit ihrem souveränen Text zum Thema „Schizophrenie“ viel Beifall ernten. Das Publikum des Blue Shell wird von den anwesenden Autoren jedoch größtenteils zum Lachen gebracht. Micha-El Goehre macht seine Leidenschaft für Heavy Metal zum Thema seiner Texte. Er trägt aus dem „Tagebuch eines Heavy Metal Fans“ vor und hat die Lacher auf seiner Seite, als er Metal Fans mit Anhängern der „Jungen Union“ vergleicht – die haben nämlich beide keine Freunde. Goehres Spiel mit Klischees und Vorurteilen trifft beim Publikum einen Nerv.

Scheinbar alltägliche und alles andere als komische Themen werden auch von Til Strasser aufgegriffen. Der junge Kölner schafft den Einzug ins Finale mit einem charmanten Text über das oberflächliche Frauen- und Männerbild, das in Lifestyle-Magazinen präsentiert wird. Das Blue Shell brüllt vor Lachen, obwohl es noch kurz davor sehr leise im Publikum wurde. Es war ein herzlicher und lustiger Abend, der die Ereignisse in Paris vom vergangenen Freitag kurz vergessen ließ. Finalist Markus Mohr holt diese jedoch mit seinem Vortrag schnell zurück ins Gedächtnis aller Anwesenden. Er entwickelt eine dystopische Zukunftsfantasie und stellt so die Frage: „Was wäre, wenn der Islamische Staat gewinnen würde?“. Mohr beschreibt eine Welt, die nur noch aus Schutt und Asche besteht, in der Männer sich bereitwillig selbst zur Strafe die Hände abhacken und Frauen sich in dunklem Schwarz verhüllen, bis auch der letzte Hauch von Weiblichkeit vollkommen verschwunden ist. Eine Welt, in der selbst ein Terrorist sich umsehen würde, und bemerken müsste, dass es jetzt nur noch eins gibt: Hass. Wo Sprachlosigkeit anfängt und das Verstehen aufhört, findet Markus Mohr einen Weg, Terror und Gewalt einfühlsam lyrisch zu verarbeiten. Am Ende gewinnt er den Poetry Slam mit nur einem Punkt Vorsprung. Doch das ist längst nebensächlich geworden.

David Gruber

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Eine Ode an Slamjamin
Jubiläums-Ausgabe von „Reim in Flammen“ – Bühne 11/18

Begleiterscheinungen der Melancholie
Der Kölner Comedy-Einzelgänger Alexander Bach – Bühne 04/18

Die Tradition der Rebellion
Büchner-Presiträger Jan Wagner im Literaturhaus – Literatur 11/17

Kultur im Wandel
Podiumsdiskussion anlässlich 20 Jahren Kulturrat NRW – Spezial 12/16

Die Schlacht der Wörter
10-jähriges Jubiläum von „Reim in Flammen“ in Köln – Bühne 10/15

Reden ist Silber und Geigen aus Holz
Der „Slam ohne Grenzen“ feiert im Limes seinen zweiten Geburtstag

Rhein-Battle
Poetry Slam „Reim in Flammen“ im Millowitsch Theater am 1.8.

Klappe halten, wenn der Poet spricht
Poetry-Slam „The Word is not enough“ im Blue Shell am 20.7.

Pilze für die Leiste
Sebastian23 zählt an: Dreiundzwanzig – die Video-Kolumne - Poetry 08/12

Die Kindheit ist kompostierbar
Sebastian23 zählt an: Zweiundzwanzig – die Video-Kolumne - Poetry 07/12

Rindfleisch ist die Dummheit der Seifenblase
Sebastian23 zählt an: Einundzwanzig – die Video-Kolumne – Poetry 06/12

14 Pfund Hack sind kein gutes Verlobungsgeschenk
Sebastian23 zählt an: Zwanzig - die Video-Kolumne - Poetry 05/12

Bühne.

Hier erscheint die Aufforderung!