Wenn die Langeweile am größten ist, die Gewohnheiten uns schier zu erdrücken beginnen, geschehen mitunter die interessantesten Dinge. Sara (Nadja Duesterberg) trödelt, auf dem Weg von der Schule nach Hause lernt sie Ayhan (Ferdi Özten) kennen. „Bist du auch ein Schisser?“, fragt er sie. Wer sich gegenseitig seine Angst offenbart, hat schon mal ein festes Beziehungsband geknüpft. Und so begegnen uns die beiden – zu denen sich noch Hamid (Moritz Heidelbach) gesellt – mit großen Hasenmasken. Ein scheinbar einfaches, aber in Wahrheit ziemlich raffiniert entwickeltes Stück schrieb die 30jährige Reihaneh Youzbashi Dizaji mit „Hasenland“ für die Comedia. Dazu fand man mit Manuel Moser einen Regisseur, der die Textvorlagen in pures Theater zu überführen versteht.
Der Junge und das Mädchen kommen sich näher, sie sind mehr als Freunde, aber noch keine Verliebten. Er hat eine türkische Mutter, die gerade ein Geschwister zur Welt gebracht hat. Die Frauen in seiner Familie tragen Kopftücher, der Vater spricht kein Deutsch, beides oberpeinlich. Sie hat eine umweltbewusste Mutter, die ebenfalls nur durch ihre Peinlichkeit auffällt. Die Gefühle finden Ausdruck in den Masken, die eben nicht dazu anhalten, den zu entdecken, der sich hinter ihnen befindet, vielmehr sind die Masken selbst schon Ausdruck der inneren Befindlichkeit ihres Trägers. Im „Hasenland“ sitzt uns allen die Angst in den Knochen, nur wer gibt sie zu?
Eine Möglichkeit, mit ihr umzugehen, ist das Spiel, und das Phänomen des Spielens wird denn auch zum zentralen Sujet des Stücks. Stets geht es in dieser Inszenierung darum, sich etwas vorzustellen. So oft die Realität als erdrückend empfunden wird, wie in den Momenten der Langeweile, beginnt man, an den Gesetzen dieser Realität zu rütteln. Dabei amüsiert man sich über Essgewohnheiten, Familienverhältnisse und vor allem den Verhaltenskodex von Jungs und Mädchen. Alles könnte ja auch anders sein, die klug eingesetzte Musik von Philipp Budde deutet das schon an und das Bühnenbild von Maurice Dominic Angrés bringt es auf den Punkt. Eine Art Turm zu Babel wurde errichtet, der jedoch nur aus Fensterrahmen besteht. Wie im Spiel wird Einschränkung in Möglichkeit verwandelt, aus jedem Fenster erklingt eine andere Sprache, jedes Fenster eröffnet eine neue Perspektive.
In Nadja Duesterberg spürt man stets das Feuer, das Sara antreibt; es hinterlässt aber auch Verbrennungen, wenn es gilt, Enttäuschungen hinzunehmen. Zusammen mit dem hellwachen, sensiblen Ferdi Özten und einem Moritz Heidelbach, der gerne zeigt, was er so alles draufhat, besitzt die Produktion so drei starke Darsteller. Manuel Moser liefert ihnen ein Konzept, das aus jedem Detail Funken schlägt, so dass sich eine brillante Inszenierung entwickeln kann.
„Hasenland“ von Reihaneh Youzbashi Dizaji | R: Manuel Moser | Comedia | 3. 3., 15 u. 17 Uhr. 6. 3., 16 Uhr | www.comedia.de
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