So lange ist es noch gar nicht her, dass eine Ausstellung mit Christian Hellmich in der weiteren Region zu sehen war. Im Sommer letzten Jahres zeigte die Von der Heydt-Kunsthalle in Wuppertal-Barmen einen Überblick über seine bisherige Malerei mit Bildern seit Mitte der 2000er Jahre, aus der Zeit also, in der er sich als Künstler etabliert hat und zunehmend Aufmerksamkeit erfährt. Christian Hellmich malt gegenständlich. Er zeigt Wände im Innenraum, einzelne Gegenstände, nahe gerückt und im Bildgeschehen zentriert, oft so, dass man gar nicht genau weiß, was da eigentlich ist. Hellmich arbeitet mit Verschiebungen, Staffelungen von Flächen, wechselt dabei die Perspektive und hält an anderer Stelle abrupt inne. Sichtlich handeln seine Malereien vom Zweifel an der Wahrnehmung in unserer heutigen Zivilisation, daran, wie sich die reale und die digitale Welt überlagern, und wie wir uns in dieser bewegen. Zwielicht und Dunkelzonen tragen zum Unwirklichen bei. Diese Bilder entschleunigen das Sehen, aber man spürt die Geschwindigkeit im Nacken, mit der die allgegenwärtigen tagtäglichen Informationen an uns vorbeirauschen.
Nun also sind die neuesten Bilder von Christian Hellmich in der artothek zu sehen, sämtlich entstanden 2013. Die artothek selbst feiert ihr 40jähriges Bestehen – als wirklich bemerkenswerte und wichtige Einrichtung in Köln. Mit der Ausstellung von Christian Hellmich zeigt sie sich frisch und vital, auf der Höhe des Kunstschaffens. Hellmichs aktuelle Bilder schließen da an, wo die Ausstellung in Barmen endete. Vielleicht dass die Farben nun dünner aufgetragen sind und die Farbränder nicht mehr so pastos sind. Die Bilder entstehen wie bisher: Erst legt Hellmich im gestischen All-Over einen gegenstandsfreien Farbgrund an, in dem er Schwerpunkte setzt. Die Motive, die er anschließend malt, entnimmt er seinem Fundus an Fotovorlagen, den er aus unterschiedlichsten Quellen zusammengetragen hat. Aber im Malprozess verliert das Gegenständliche an Bedeutung. Ein freies Spiel der Kombinatorik, der Verschränkung, Verdeckung und der Anlage größerer Farbpartien beginnt.
Ein Höhepunkt der Ausstellung ist das Bild „Follies“ (2013). Collagenartig sind verschiedene bauliche Motive verschränkt. Im unteren Drittel durchzieht eine Art Wellblechdach die Horizontale, nach unten ist sie durch eine Regenrinne abgeschlossen, welche die Darstellung dynamisiert. Im linken Bereich ist die rasterartige Struktur als Flimmern aufgelöst, von oben reflektiert Licht. Darüber baut sich ein Fenster auf, und plötzlich scheint sich das Geschehen in einem Innenraum zu ereignen. In der Tiefe der graublauen Fensterscheibe zeichnet sich ein Balken ab, vielleicht ist es auch eine Spiegelung. Aber es ist überhaupt eine Qualität der Malerei von Christian Hellmich, dass sie räumliche Situationen spürbar werden lässt.
Christian Hellmich, der lange in Köln gelebt hat und nun in Berlin ansässig ist, wurde 1977 in Düsseldorf geboren. Er hat in Essen studiert und sich dort zunächst der Zeichnung zugewandt, auch figürlich gezeichnet – in seiner Malerei aber verschwindet die Figur völlig. Ein weiteres ist das Interesse an Architektur, das auch heute in seinen Bildern wiederkehrt. Fast leitmotivisch finden sich Raster und Farbfelder, welche an Kacheln und Fliesen denken lassen. Die Emaille-artigen Pastellfarben tragen etwas von Verwitterung, und mit der malerischen Suggestion von Beton und Sperrholz tragen diese Bilder die instinktive Impression von Vergangenem. Die Malerei von Christian Hellmich setzt gegen das Virtuelle unserer Informationsgesellschaft die Sinnlichkeit von Farbe und holt einzelne Momente der Erinnerung in die Gegenwart, besser: erfindet sie wieder. Hellmich setzt die Brüchigkeit der Wahrnehmung und der Erinnerung gegen die Reizüberflutung heutiger Tage – zu sehen derzeit in der artothek und, bis Anfang November, auch in der Münchener Galerie Tanja Pol.
„Christian Hellmich – nitty-gritty“I bis 26.10. I artothek, Köln I www.museenkoeln.de/artothek
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