Mit welch undurchsichtigen Geschäften auch immer er zu diesem Reichtum gekommen ist, Jay Gatsby hortet ihn nicht, sondern verprasst ihn mit glamourösen Parties auf seinem gewaltigen Landsitz auf Long Island. Doch der ganze Aufwand dient, wie der Ich-Erzähler Nick Carraway in Francis Scott Fitzgeralds Roman „The Great Gatsby“ erfährt, nur einem Ziel: Jay Gatsby möchte seine frühere große Liebe Daisy zurückgewinnen, die inzwischen mit dem tumben, reaktionären, millionenschweren Polospieler Tom Buchanan verheiratet ist. Glücklich ist deren Ehe nicht. Daisy frönt einer resignierten Abgeklärtheit, Tom hält sich die Geliebte Myrtle. Und so nimmt die Katastrophe ihren Lauf. Daisy beginnt eine Affäre mit Gatsby, es kommt zu Auseinandersetzungen. Bei einer Autofahrt überfährt Daisy dann versehentlich die junge Myrtle. Der Verdacht fällt allerdings auf Gatsby, der am Ende prompt von Myrtles Ehemann, einem Tankstellenbesitzer, erschossen wird.
Die Gier nach Reichtum und nach Glück, die innere Leere und der Glamour, die Einsamkeit und der Zynismus, das sind die Themen in F. Scott Fitzgeralds berühmtem Roman, den nun das Theater Tiefrot für sein Sommertheater ausgewählt hat. Und die Location für das New York der 20er Jahre und seine rauschenden Feste liegt natürlich wie schon bei der „Jedermann“-Produktion in den vergangenen Jahren im Garten des Hotel Hopper.
Die Figuren in Fitzgeralds Roman würden wahrscheinlich alle von sich sagen, dass sie ein goldenes Leben haben. Doch wenn eine Gruppe ihr neues Stück „Zum Goldenen Leben“ nennt, dann klingt das eher wie die letzte Eckkneipe vor dem Paradies. Dort ist der Service wahrscheinlich bestenfalls suboptimal, weil die Vorfreude auf das Kommende sowieso schon alles verklärt. Die Gruppe Futur3 ist allerdings nicht für theatrale Spiegelfechterei bekannt, sondern für genaue Recherche – auch wenn es, wie diesmal um das richtige Leben im falschen geht. Womit nicht der Glamour der Reichen gemeint ist, sondern das von Menschen, die die Schnauze voll haben und aussteigen. Die Katastrophendiagnose ist bekanntlich lang: neoliberale Wirtschaftsordnung, Prekarisierung, digitale Überwachung, Klimadesaster, Konsumterror, Rohstoffknappheit, Selbstausbeutung und und und. Jeder kann aus der Hand aufzählen, was sich ändern müsste – nur um dann so weiterzumachen wie bisher. Futur3 lädt parallel zum eigenen Rechercheprozess diejenigen ein, die schon den Schritt aus dem falschen Leben gemacht haben. Da stellen sich das Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung, kurz ZEGG (28.5.) oder Kölner Initiativen (1.6.) vor, es wird eine Tauschbörse geben (15.6.) und Buchautorin Greta Taubert erklärt, wie sie ein Jahr lang den Ausstieg praktiziert hat und sogar mit Pfeil und Bogen jagen ging (24.6.). Erst Anfang Juli folgt dann die Premiere. Und da Futur3 gründlich forscht und es deshalb wissen muss, haben sie auch die Adresse des Paradieses in Erfahrung gebracht: Es liegt am Eifelwall 5.
„Zum Goldenen Leben“ | R: André Erlen, Stefan H. Kraft | 6., 8.-12.7. 19.30 Uhr | ParaDies, Eifelwall 5 | 0221 985 45 20 | www.zumgoldenenleben.de
„Der große Gatsby“ | R: Volker Lippmann | 22.-24., 29.-31.8., 5.-7.9. 19.30 Uhr | Theater Tiefrot, Hotel Hopper I 0221 460 09 11
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Saufen als Brauchtum
„Der fröhliche Weinberg“ am Theater Tiefrot – Prolog 08/22
Kurzer Prozess
Zuckmayers Drama am Theater Tiefrot – Theater am Rhein 05/22
„Wir machen weiter!“
20 Jahre Theater Tiefrot – Prolog 04/22
Wolken sind aus <s>Poesie</s> Angst gemacht
„Störfall“ am Theater Tiefrot – Theater am Rhein 01/22
„Ich weiß nicht, wie oft wir schon totgesagt wurden“
Volker Lippmann über „Der eingebildete Kranke“ – Interview 07/21
„Eine Frau mit bemerkenswerten Ansichten“
Juliane Ledwoch über „Frida Kahlo – Erinnerung an eine offene Wunde“ – Premiere 01/20
Aufgewirbelter Staub und zahlreiche Fragen
„Die vergessene Revolution“ im Theater Tiefrot – Theater am Rhein 12/18
Dreigroschen-Vampire auf Urlaub
„Die Dreigroschenoper“ im Theater Tiefrot – Theater am Rhein 08/18
Bessere Welt?
Theater im September im Rheinland – Prolog 08/18
Madame la Mort
„Die Geschichte von den Pandabären“ im Theater Tiefrot – Theater am Rhein 07/18
Die Sonne scheint nur
Sommertheater in Köln – Prolog 06/18
Höckes Mythos
„Inside AfD“ mit dem Nö-Theater – Theater am Rhein 12/17
Tanzen gegen Rassentrennung
„Hairspray“ am Theater Bonn – Theater am Rhein 11/24
Biografie eines Geistes
„Angriffe auf Anne“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 11/24
Selbsterwählte Höllen
„Posthuman Condition“ am FWT – Theater am Rhein 11/24
„Die Hoffnung muss hart erkämpft werden“
Regisseur Sefa Küskü über „In Liebe“ am Orangerie Theater – Premiere 11/24
Kampf gegen Windmühlen
„Don Quijote“ am Theater Bonn – Prolog 11/24
Die ultimative Freiheit: Tod
„Save the Planet – Kill Yourself“ in der Außenspielstätte der TanzFaktur – Theater am Rhein 10/24
Die Maximen der Angst
Franz Kafkas „Der Bau“ in der Alten Wursterei – Theater am Rhein 10/24
Keine Macht den Drogen
„35 Tonnen“ am Orangerie Theater – Prolog 10/24
Wenn das Leben zur Ware wird
„Hysterikon“ an der Arturo Schauspielschule – Prolog 10/24
Wege in den Untergang
„Arrest“ im NS-Dokumentationszentrum Köln – Theater am Rhein 10/24
Spam, Bots und KI
„Are you human?“ am Theater im Bauturm – Prolog 10/24
Die KI spricht mit
Franz Kafkas „Der Bau“ in der Alten Wursterei in Köln – Prolog 10/24
„Das Ganze ist ein großes Experiment“
Regisseurin Friederike Blum über „24 Hebel für die Welt“ in Bonn und Köln – Premiere 10/24