Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
23 24 25 26 27 28 29
30 31 1 2 3 4 5

12.583 Beiträge zu
3.812 Filmen im Forum

Probenfoto „Der fröhliche Weinberg“
Foto: Presse

Saufen als Brauchtum

08. August 2022

„Der fröhliche Weinberg“ am Theater Tiefrot – Prolog 08/22

Das Theater Tiefrot nimmt seine Tradition des Sommertheaters im Garten des Hotel Antonius, vormals Hotel Hopper, wieder auf. Regisseur und Theaterleiter Volker Lippmann hat sich diesmal für Carl Zuckmayers Komödie „Der fröhliche Weinberg“ entschieden. Nach dem „Hauptmann von Köpenick“ nun also ein weiteres Stück dieses einstmals höchst erfolgreichen, inzwischen selten gespielten Autors.

Der „fröhliche Weinberg“ ist ein frühes Beispiel aus dem Genre des derb-kritischen Volkstheaters und sorgte nach seiner Uraufführung für immerhin 63 Skandale in kurzer Folge – was nur ganz wenigen Stücken gelungen ist. Als Zuckmayers Posse 1925 in Berlin und Frankfurt seine ersten Aufführungen erlebte, brüllte das Publikum vor Lachen. Doch als es danach auf Tournee durch die Provinz ging, wurden Proteste angezettelt, wurde wild herumgepöbelt und immer wieder der Abbruch der Aufführungen provoziert. Was in der Großstadt als Kleinstadt-Bashing noch durchging, wurde dort als schiere Provokation empfunden.

Zuckmayer hat den Plot seines „Fröhlichen Weinbergs“ in seiner rheinhessischen Heimat angesiedelt: Ein Weinhändler, dessen Ehefrau unfruchtbar war, hat eine uneheliche Tochter. Um ihr das gleiche Schicksal zu ersparen, soll sein zukünftiger Schwiegersohn noch vor der Hochzeit seine Zeugungsfähigkeit beweisen, vulgo: die Tochter schwängern. Im Sinn hat er dafür einen hochnäsigen Assessor. Die Tochter will aber lieber einen verarmten Schiffer heiraten. So weit, so simpel und schräg. Doch dieser „Weinberg“ hat auch eine ruppige Seite: Es wird gesoffen, es wird nazistisch gepöbelt, es regnet Prügel und zum Sex geht es hinter die Ligusterhecke. Zuckmayer tritt so ziemlich allen vors Schienbein: Gastwirten, Bauern, Veteranen, Nazis, Corps-Studenten – aber auch jüdischen Weinhändlern. Zuckmayers Mutter war Jüdin und sein Vater produzierte Kapseln für Weinflaschen.

Der Plot mag simpel und hausbacken sein, das Stück hat aber neben seiner derben Komik auch einen ziemlich bösartigen Humor, der einem mitunter im Hals steckenbleiben kann. Es ist also wie gemacht für unterhaltsames Open-Air-Theater – zumal in einer Stadt wie Köln, die das Saufen sowieso längst zum Brauchtum erklärt hat.

Der fröhliche Weinberg | R: Volker Lippmann | 18. (P), 19., 21., 26., 28.8., 1., 2., 3., 4.9. | Theater Tiefrot | 0221 460 09 11

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Heretic

Lesen Sie dazu auch:

Ein Bild von einem Mann
„Nachtland“ am Theater Tiefrot – Theater am Rhein 12/24

Kurzer Prozess
Zuckmayers Drama am Theater Tiefrot – Theater am Rhein 05/22

„Wir machen weiter!“
20 Jahre Theater Tiefrot – Prolog 04/22

Wolken sind aus <s>Poesie</s> Angst gemacht
„Störfall“ am Theater Tiefrot – Theater am Rhein 01/22

„Ich weiß nicht, wie oft wir schon totgesagt wurden“
Volker Lippmann über „Der eingebildete Kranke“ – Interview 07/21

„Eine Frau mit bemerkenswerten Ansichten“
Juliane Ledwoch über „Frida Kahlo – Erinnerung an eine offene Wunde“ – Premiere 01/20

Aufgewirbelter Staub und zahlreiche Fragen
„Die vergessene Revolution“ im Theater Tiefrot – Theater am Rhein 12/18

Dreigroschen-Vampire auf Urlaub
„Die Dreigroschenoper“ im Theater Tiefrot – Theater am Rhein 08/18

Bessere Welt?
Theater im September im Rheinland – Prolog 08/18

Madame la Mort
„Die Geschichte von den Pandabären“ im Theater Tiefrot – Theater am Rhein 07/18

Die Sonne scheint nur
Sommertheater in Köln – Prolog 06/18

Höckes Mythos
„Inside AfD“ mit dem Nö-Theater – Theater am Rhein 12/17

Bühne.

HINWEIS