Ein Jahr nach der Eröffnung des Kulturquartiers am Neumarkt zeigt das Museum Schnütgen seine erste Schau im Wechselausstellungsraum – und die ist großartig, so speziell das Thema auch scheint. Die Ausstellung „Glanz und Größe des Mittelalters“ ist angesiedelt im Bereich von Stadt- und Kirchengeschichte, Kultur und Kunst zwischen 1000 und 1550. Sie handelt vom Selbstbewusstsein im mittelalterlichen Köln. Sie verdeutlicht anhand der kirchlichen und der profanen Exponate, dass Köln in dieser Zeit eines der herausragenden Kunstzentren Europas war, mit einer Vielzahl an Werkstätten und Schulen und mit einer reichen Kundschaft. Diese hat aber nicht nur die Entstehung der Kunst gefördert, sondern mit ihren Handels- und Reiseverbindungen mit dazu geführt, dass etliche Kunstwerke, die hier gefertigt wurden, heute über die ganze Welt verteilt sind. Rund 160 Exponate sind nun für die Ausstellung im Schnütgen Museum von überallher entliehen und, im Verbund mit der eigenen umfangreichen Sammlung, in ihre ursprünglichen Zusammenhänge integriert worden.
Mit der Ausstellung der mittelalterlichen Exponate wird auch angesprochen, wie die Gesellschaft in dieser Zeit „funktioniert“ hat, und wie ihr Weltbild aussah. Vor allem eines wird am Beispiel Kölns deutlich: Die Religion war tief in der Gesellschaft verankert, und sie bestimmte das politische und kulturelle Leben. Die Frömmigkeit der Bevölkerung und der Stände spiegelte sich entsprechend im Alltag wider; omnipräsent waren schon die romanischen Kirchen im Stadtbild. In Köln wurde der Erzbischof, der bis dato auch politischer Machthaber war, 1288 in der Schlacht von Worringen vertrieben; 1396 wurde eine Stadtverfassung für das Bürgertum beschlossen. Die christliche Lehre mit ihrer Ikonographie aber haben die Patrizier gepflegt. Die Kultur diente dem feierlichen Ritus, der Vergegenwärtigung des Neuen Testaments und der eigenen Vorbereitung auf das Paradies. Später wurden die Künstler auch mit der Darstellung der Stifter betraut; daraus entwickelten sich die Bürgerportraits, die vor allem die Kaufleute in Auftrag gaben – aber das ist im späten 15. Jahrhundert, und davon ist erst zum Ende dieser Ausstellung die Rede.
Christentum und Bürgertum
Das erste Gemälde am Eingang im Kulturquartier steht programmatisch für die Dimensionen dieser Ausstellung. Gemalt auf Eichenholz um 1480 von einem Künstler, der den Notnamen „Meister der Verherrlichung Mariens“ trägt, verdeutlicht es das Zusammenwirken der unterschiedlichen, einerseits getrennten, andererseits miteinander verknüpften Ebenen von Christentum und Bürgertum. Im Vordergrund stehen Christophorus und Gereon und Petrus, die Standes-, Stadt- und Kirchenheilige sind. Nebeneinander angeordnet, aber doch durch die Mittelachse und ihre Körperhaltung getrennt, befinden sie sich vor einer Brüstung, hinter der das Panorama einer Stadt zu sehen ist: Es handelt sich um Köln, davor der Rhein mit den Handelsschiffen; links der Drachenfels, von dem die Steine für den Dom abgeschlagen werden, welcher rechts zu sehen ist. Mit der Dominanz der in ihrem Ornat gekleideten Figuren, dazwischen Bäume und der Fluss und selbst eingebettet in den Goldgrund, nimmt sich Köln wie die Vision der Himmlischen Idealstadt aus – tatsächlich ist es zur Zeit der Entstehung des Bildes Pilgerzentrum und blühender Umschlagplatz für den Handel mit einem eigenen kulturellen und gesellschaftlichen Leben, in dem die Patrizier und die Zünfte eine maßgebliche Rolle spielen.
Programmatisch ist bei diesem Tafelbild aber auch der Habitus der dargestellten Heiligen zu verstehen: Derartige liturgische Gewänder und Objekte sind auch selbst in der Ausstellung zu sehen. Linker Hand im Ausstellungsraum befindet sich der Vortragestab der Heiligen Drei Könige aus der Domschatzkammer des Kölner Doms (1178). Und rechts ist eine Reliquien-Büste der Heiligen Ursula (1340) platziert, die eine still-beredte Innigkeit im Ausdruck auszeichnet. Neben Malereien, die das Programm des Neuen Testaments und die Marienfrömmigkeit vor Augen führen, umfasst „Glanz und Größe des Mittelalters“ also auch die Ornamenta Ecclesiae. Zu sehen ist etwa das Fragment eines Wandbehangs aus St. Gereon aus dem 11. Jahrhundert (heute im Victoria & Albert Museum in London), das man, über seine Symbolik hinaus, vielleicht auch aus der Perspektive heutiger Malerei betrachten könnte. Ausgestellt sind weiterhin Monstranzen, Pokale und Ziborien. Bis zum frühen 14. Jahrhundert galt die Goldschmiedekunst als Königsdisziplin, ehe sie von der Tafelmalerei abgelöst wurde. Daneben spielt in Köln die Elfenbein- und Holzschnitzerei eine große Rolle, die noch regionale Eigenheiten trägt. Auch sie ist in der Ausstellung vertreten.
Die führende Bildschnitzer-Werkstatt leitete Tilman Heysacker, gen. Krayndunck, der von 1475 bis 1515 in Köln tätig war und für die hiesigen Kirchen tätig war – er steht im Zentrum eines eigenen Kapitels. Das Werk von Stefan Lochner schwingt hingegen in der gesamten Ausstellung mit: Er ist der führende Maler dieser Zeit in Köln, der mit seiner Wahl in den Stadtrat 1447 die höchste gesellschaftliche Anerkennung erhielt. Zugleich weist die Ausstellung mit Krayndunck und Lochner auf die Spuren des kulturellen Mittelalters auch außerhalb der Schau im Schnütgen Museum. Im Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln, ist Lochners „Veilchenmadonna“ ausgestellt, und das Wallraf-Richartz-Museum besitzt überhaupt den größten Bestand an Altkölner Malerei; weiterhin gibt es die romanischen Kirchen mit ihren Ausstattungen. Ohnehin ist auch jetzt die einzigartige Sammlung des Schnütgen Museum zu sehen, in St. Cäcilien. Direkt daneben befindet sich dann St. Peter, in dem – nun viel später entstanden – Rubens' „Kreuzigung des Petrus“ wie auch der Altar von Eduardo Chillida zu sehen sind. Die christliche Botschaft und ihre Spiritualität und die Kunst stehen bis heute in einem intensiven Austausch.
„Glanz und Größe des Mittelalters. Kölns Meisterwerke aus den großen Sammlungen der Welt“ I bis 26.2. I Museum Schnütgen I www.museenkoeln.de/museum-schnuetgen
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