„Heute findet der globale Austausch der Menschen über dem Bild statt“, behauptet Markus Schaden und erinnert daran, dass „im letzten Jahr mehr fotografische Bilder produziert wurden, als in den gesamten 164 Jahren der Fotografiegeschichte zuvor“. Nur stellt sich dabei die Frage, ob die Bilder besser geworden sind, weil man sie leichter produzieren kann? Weil alle knipsen, scheint der ästhetische Maßstab verlorengegangen zu sein. Der gelernte Buchhändler und Verleger Markus Schaden bedauert, „dass sich heutzutage niemand mit der Sprache der Bilder beschäftigt. Man verstummt vor den Bildern, weil man nicht gelernt hat, diese Sprachlosigkeit aufzubrechen“. Eine Aufgabe, der sich die Hochschulen annehmen, die aber in die Öffentlichkeit getragen werden muss. Ein Museum für Fotografie wäre eine Antwort auf die drängende Herausforderung der Bilderflut. Eigentlich eine Institution, die in Köln – der selbsternannten Stadt der Fotografie – schon lange überfällig ist, aber bisher aus dem Status eines Traums nicht erlöst werden konnte.
Am 19. August – dem offiziellen Geburtstag der Fotografie – wird sich dieser Zustand ändern. Dann eröffnet im Rahmen der Internationalen Photoszene Köln auf dem Gelände des Carlswerks in Mülheim das PhotoBookMuseum. Mit einer Fläche von 6000 qm bietet die Halle gegenüber dem Depot 1 des Kölner Schauspiels ein Eldorado der fotografischen Kunst. Markus Schaden und eine Schar getreuer Mitstreiter – zu denen Frederic Lezmi, Thekla Ehling, Helge Hoffmann und Nina Poppe gehören – planen ein Programm, das mehr als ein Dutzend Ausstellungen zugleich offeriert. Neben einer Schau von Chargesheimers legendärem Projekt „Köln 5Uhr30“ wird es etwa Ausstellungen zum lateinamerikanischen Fotobuch, zu Protest-Bildern, zu Teenager-Küssen, zum privaten Fotobuch und zur Geschichte der Fotobücher geben. Jede einzelne Schau besteht aus einer Installation, die die Konstruktion des jeweiligen Fotobuchs nachvollziehen will. Mit der „La Brea Matrix“ wir der Mythos eines der bedeutendsten Bilder von Stephen Shore in seine Einzelteile zerlegt.
Monographische Ausstellungen sind Ed van der Elsken, Susan Meiselas, Daido Moriyama, Stephen Shore und Anders Petersen gewidmet. Das „Café Lehmitz“ auf der Reeperbahn, das durch Petersens Fotografien Berühmtheit erlangte, soll nachgebaut werden, ebenso eine japanische Bar. Neben einem Restaurant und einer Buchhandlung gibt es einen Reading-Salon mit 250 der für die Geschichte der Fotografie einflussreichsten Fotobücher, und Markus Schaden rechnet mit hochkarätigen Gäste wie Susan Meiselas und Daido Moriyama aber auch den Kuratoren des Museum of Modern Art und der Londoner Tate Modern.
Warum steht das Buch im Zentrum des Unternehmens? „Weil es die Bücher und nicht die Ausstellungen waren, die innerhalb der Geschichte der Fotografie die entscheidenden Akzente gesetzt haben“, erklärt Markus Schaden. Kuratoren suchen gewöhnlich nach Kriterien von Geschmack und chronologischer Folge aus. Sie konzentrieren sich auf Fotografien, die sie aus den einzelnen Projekten eines Fotografen zusammenstellen, aber sie präsentieren nicht das komplette Konvolut eines Buches. „Bei einem Fotografen wie Daido Moriyama kommt es zum Beispiel auf den Sound der Bilderfolge an. Im Übrigen kann ich aus einer Wagner-Oper auch nicht einfach zehn Minuten herausschneiden“, behauptet Markus Schaden, der auf andere Weise „Sensibilität“ für die Kunst der Fotografie schaffen will. „Ich halte mich da ganz traditionell an den Begriff des Kodex“, sagt der 49-Jährige, „zwei Deckel und dazwischen der Inhalt. Das Buch ist das Objekt, es enthält die Struktur oder das Konzept eines Künstlers, die Bilder sind die Illustrationen. Wenn ich einen schönen Satz schreiben kann, bin ich noch kein guter Autor. So ist es auch in der Fotografie, viele Bilder machen alleine noch keine Qualität aus.“
Sieben Wochen, von August bis 3. Oktober, soll das PhotoBookMuseum das Publikum aus aller Welt anlocken. Eine große Anzahl von Begleitveranstaltungen muss das Interesse beständig anheizen. Die Finanzierung ergibt sich aus Spenden, Crowdfunding und Stiftungsgeldern. Im Herbst wird das Museum dann in Köln abgebaut, um sich in seine mobile Version zu verwandeln. Die Ausstellungen werden in Schiffscontainer verladen, die in anderen Städten wieder montiert werden können. Interesse an diesem Museum der Zukunft soll schon aus diversen europäischen Städten angemeldet worden sein und für das nächste Jahr wird eine Fortsetzung in Köln ins Auge gefasst. Markus Schaden behauptet denn auch ungerührt: „Das goldene Zeitalter des Fotobuchs liegt noch vor uns.“
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