Die blaue Reiterin und ihr Freundeskreis reiten momentan durchs Bonner Frauenmuseum. Es ist eine bunte Hommage an Gabriele Münter (1877-1962), die Malerin, die zwei Weltkriege überlebte und Kunst studierte, obwohl es Frauen damals eigentlich gar nicht erlaubt war, die im Kontext von Wassily Kandinsky, Alexej Jawlensky und als Leidensgenossin von Marianne von Werefkin umherzog und die Malerei weiterentwickelte. Münter und von Werefkin konnten sich das auch locker finanziell leisten. Münter suchte dabei immer nach „Form, Komposition und Farbe in Übereinstimmung mit dem Naturgegenstand“; die 80 Künstlerinnen in Bonn scheinen dies verinnerlicht zu haben. Es gibt wenig Abstraktes, viel Münter-Folklore, aber eben auch die Sahnehäubchen auf den Etagen, die einen Besuch zwingend notwendig machen. Denn dieses Museum rückt dabei nicht nur die Verortung von Künstlerinnen in der immer noch männlich dominierten Kultur-Gesellschaft in den Mittelpunkt, es hat sich auch eine ganz eigene Ausstellungsrhythmik erarbeitet. Diese schafft viel Freiraum für unterschiedliche Künstlerinnen, fungiert aber eben auch selbst als Organismus der Auseinandersetzung, was insbesondere auch an der Künstlerin und Museumsdirektorin Marianne Pitzen liegt.
Ihre blauen Matronen glänzen in der Ferne unübersehbar im Scheinwerferlicht, wenn man das Frauenmuseum betritt, gleich in der Nähe ein großer Holzklotz aus dem ein überlebensgroßes Portrait der Gabriele Münter gehauen ist. Die Belgierin Rita De Muynck hat dafür geschlagene, über hundert Jahre alte Lindenstämme vom Zufahrtsweg des Münter-Hauses in Murnau gekauft, an denen Münter und Kandinsky vielleicht täglich als Paar vorbeiflaniert sein könnten. Das Thema Porträt steht am Anfang der Ausstellungsblöcke im Museum. Treppe rauf, Gruß nach rechts zur stets präsenten Yoko Ono, hinein in den großen Saal mit implementierten Videos, Groß-Installationen, Fotoserien und den kleinen Objekten hier und da. Arbeiten von 80 Künstlerinnen sinnvoll aufzubauen, schon das allein ist eine Leistung an sich. Den Raum strukturieren die Blöcke „Blaue Reiterin (und Reiter)“ und „Landschaft und Gebirge“. Hier eine den Raum füllende Installation „Follow the bluestocking rider“ mit durchscheinenden Figurinen aus blauen Nylons von Monika Ortmann, deren zentrale Figur, die blaue Reiterin, Hufeisen in den Fußteilen stecken hat. Das ist zugleich auch ein Verweis auf die militante Frauenrechtlerin Emily Davison (1872-1913), eine Zeitgenossin Münters. Visuell ebenso reizvoll ist Susanne Neunasts Videoinstallation „Hommage an Gabriele Münter“, eigentlich eine Neuinterpretation deren Bildes „Gerade Straße“ von 1910 und eines der Lieblingsbilder der blauen Reiterin. Es zeigt die Verbindungsstraße zwischen Murnau am Staffelsee und Kochel. Neunast hat den Weg aus dem PKW abgefilmt und dreidimensional im Raum installiert. Davor hängt ein barocker Bilderrahmen, dessen Glas beim Durchschauen die geometrische Farbaufteilung in Münters Gemälde reflektiert. Ein interessanter Auftakt für den Gabriele-Münter-Preis (20.000 Euro), der 2017 im Frauenmuseum zum siebten Mal vergeben werden soll.
„Gabriele Münter: Die Blaue Reiterin und ihr Freundeskreis“ | bis 8.3. | Frauenmuseum Bonn | 0228 69 13 44
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Vom Lesekreis zum Social Girlfriend
„Freundinnen“ im Bonner Frauenmuseum – Kunst 04/18
Ein beschwerlicher Weg
Open House zum Internationalen Frauentag im Rathaus – Spezial 03/18
Das Patriarchat bei den Eiern
„Katharina von Bora – Von der Pfarrfrau zur Bischöfin“ im Bonner Frauenmuseum – Kunst 04/17
Frauen mit Superkräften
„Work & Women“ im Bonner Frauenmuseum – Kunstwandel 07/16
Sechs Frauen sehen rot
„Mein wildes Heim“ im Frauenmuseum Bonn – Kunst 05/16
Ein Punkt in der Zeit
„1 in 3“: Ausstellung gegen Gewalt an Frauen – Kunstwandel 02/16
Gute Künstlerinnen sind (k)eine Rarität
Kunstmesse.25 im Bonner Frauenmuseum vom 13.-15.11. – Kunst 11/15
Von der Geburtszange ins Massengrab
Information und Kunst. „Single Moms“ im Bonner Frauenmuseum – Kunstwandel 10/14
Der Krieg hat kein weibliches Gesicht
„Mascha + Nina + Katjuscha – Frauen in der Roten Armee“ im Bonner Frauenmuseum – Kunstwandel 05/13
Außerordentlich weicher Herbst
Drei Ausstellungen in Kölner Galerien schauen zurück – Galerie 11/24
Fragil gewebte Erinnerungen
„We are not carpets“ im RJM – Kunst 10/24
Geschichten in den Trümmern
Jenny Michel in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach – kunst & gut 10/24
Ein Himmel voller Bäume
Kathleen Jacobs in der Galerie Karsten Greve – Kunst 09/24
Leben/Macht/Angst
„Not Afraid of Art“ in der ADKDW – Kunst 09/24
Lebenswünsche
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln – Kunst 09/24
Die Freiheit ist feminin
„Antifeminismus“ im NS-Dokumentationszentrum – Kunstwandel 09/24
Atem unserer Lungen
„Body Manoeuvres“ im Skulpturenpark – kunst & gut 09/24
Die Absurdität der Ewigkeit
Jann Höfer und Martin Lamberty in der Galerie Freiraum – Kunstwandel 08/24
Vor 1965
Marcel van Eeden im Museum Schloss Morsbroich in Leverkusen – kunst & gut 08/24
Atem formt Zeit
Alberta Whittle in der Temporary Gallery – Kunst 07/24
Niemals gleich
Roni Horn im Museum Ludwig – kunst & gut 07/24
Tage des Schlafwandelns
„Übergänge des Willens“ im KunstRaum St. Theodor – Kunstwandel 07/24
Das Gewicht der Gedanken
„scheinbar schwerelos“ im Zündorfer Wehrturm – Kunst 06/24
„Welche Wahrheit trauen wir Bildern zu?“
Kurator Marcel Schumacher über „Ein Sommer in vier Ausstellungen“ im Kunsthaus NRW in Aachen – Interview 06/24
Alle sind älter
Porträts über das Alter in der Photographischen Sammlung im Mediapark – kunst & gut 06/24