Single Moms mochte eigentlich niemand, seit die Katholische Kirche in der weltlichen Machtstruktur angekommen war. Auf dem Konzil von Trient (1545-1563) wurde bestimmt, dass die Ehe Voraussetzung sei, um ein Kind zu zeugen. Dabei ging es natürlich weniger um Moralvorstellungen als um Kontrolle. Aber Frauen, die sich dem entzogen – tja, Kerker, Peitsche, Verbannung. Im 19. Jahrhundert begann dann die wissenschaftlich analysierte Geburt mit Hebel, Geburtszange und Wendestäbchen. Eine Vitrine zeigt das ganze technische Bemühen, auch die Mütter- und Kindersterblichkeit in den Griff zu kriegen. Dass viele in irgendwelchen Erdlöchern entsorgt wurden, führte in Österreich zur Errichtung der Wiener Gebär- und Findelanstalt. So wollte man die verpönten unehelichen Geburten kontrollieren. Im 20. Jahrhundert war laut Bürgerlichem Gesetzbuch der Vater nicht einmal mit seinem unehelichen Kind verwandt. Die Wohlhabenden wussten, wie man sich vor Besitzverlust schützen konnte, aber dennoch nicht die Finger vom Personal lassen musste. Auch wenn das BGB geändert wurde, für die unehelichen Mütter hat sich bis heute natürlich nichts geändert.
Steigt man im Frauenmuseum in der Ausstellung „Single Moms“ eine Zeit-Etage höher, sieht man, was die beiden Kuratorinnen Bettina Bab und Museumschefin Marianne Pitzen an schlimmen Fakten und bildender Kunst aus der Gegenwart zusammengetragen haben. Hier lernt man, dass der Begriff „alleinerziehend“ aus der westlichen Welt stammt, dass es den Solisten unter den Müttern im Rest der Welt deshalb nicht besser geht. Immerhin gibt es in Brasilien Gefängnisstrafen für zahlungsunwillige Väter. Viele Organisationen bemühen sich weltweit um das Wohlergehen von Mutter und Kind, viele ohne Unterstützung staatlicher Organe und gegen den Willen des vorherrschenden Patriachats. Exemplarisch das von Rebecca Lolosoli begründete, erste afrikanische Frauendorf „Umoja“ in Kenia. Bedrückend die Informationen zu Teenager-Schwangerschaften aus Bildungsnot oder Vergewaltigung, was auch zu Armuts-Prostitution und in den westlich dominierten Adoptionsmarkt führt. Die einfachste Lösung liefert die Kampagne „Because I am a girl“: Wer Entwicklung will, muss Mädchen fördern. Europa und die USA liefern ja lieber Entwicklungsdollars in die Taschen der Führungskräfte (siehe Afghanistan) oder Waffen in Spannungsgebiete (siehe weltweit).
Was daraus wird, sieht man in der zweiten Etage, wo in der Ausstellung „Vom Leben nach Anfal“ für ein Erinnerungsforum für überlebende Frauen in Rizgari im kurdischen Teil des Irak geworben wird. Unter dem Codewort „Anfal“ (eine Koransure) zerstörte das irakische Regime 1988 tausende Dörfer und ermordete mehr als 100.000 Männer und junge Frauen im Norden des Landes. Seit Mai 2010 fotografieren lokale KünstlerInnen Anfal-Überlebende mit Erinnerungsstücken ihrer verschwundenen Angehörigen. Alle sind alte Mütter, die ihre Kinder verloren haben und denen, wie beiNajiba Mohammed Hama Sharif, außer einem verblichenen Passbild nichts geblieben ist.
„Single Moms/Vom Leben nach Anfal“ | bis 9.11. | Frauenmuseum Bonn | 0228 69 13 44
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Vom Lesekreis zum Social Girlfriend
„Freundinnen“ im Bonner Frauenmuseum – Kunst 04/18
Ein beschwerlicher Weg
Open House zum Internationalen Frauentag im Rathaus – Spezial 03/18
Das Patriarchat bei den Eiern
„Katharina von Bora – Von der Pfarrfrau zur Bischöfin“ im Bonner Frauenmuseum – Kunst 04/17
Frauen mit Superkräften
„Work & Women“ im Bonner Frauenmuseum – Kunstwandel 07/16
Sechs Frauen sehen rot
„Mein wildes Heim“ im Frauenmuseum Bonn – Kunst 05/16
Ein Punkt in der Zeit
„1 in 3“: Ausstellung gegen Gewalt an Frauen – Kunstwandel 02/16
Gute Künstlerinnen sind (k)eine Rarität
Kunstmesse.25 im Bonner Frauenmuseum vom 13.-15.11. – Kunst 11/15
Das expressive Dasein
Gabriele Münter-Hommage im Bonner Frauenmuseum – Kunstwandel 02/15
Der Krieg hat kein weibliches Gesicht
„Mascha + Nina + Katjuscha – Frauen in der Roten Armee“ im Bonner Frauenmuseum – Kunstwandel 05/13
Vorwärts Richtung Endzeit
Marcel Odenbach in der Galerie Gisela Capitain – Kunst 11/24
Mit dem Surrealismus verbündet
Alberto Giacometti im Max Ernst Museum Brühl des LVR – kunst & gut 11/24
Außerordentlich weicher Herbst
Drei Ausstellungen in Kölner Galerien schauen zurück – Galerie 11/24
Fragil gewebte Erinnerungen
„We are not carpets“ im RJM – Kunst 10/24
Geschichten in den Trümmern
Jenny Michel in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach – kunst & gut 10/24
Ein Himmel voller Bäume
Kathleen Jacobs in der Galerie Karsten Greve – Kunst 09/24
Leben/Macht/Angst
„Not Afraid of Art“ in der ADKDW – Kunst 09/24
Lebenswünsche
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln – Kunst 09/24
Die Freiheit ist feminin
„Antifeminismus“ im NS-Dokumentationszentrum – Kunstwandel 09/24
Atem unserer Lungen
„Body Manoeuvres“ im Skulpturenpark – kunst & gut 09/24
Die Absurdität der Ewigkeit
Jann Höfer und Martin Lamberty in der Galerie Freiraum – Kunstwandel 08/24
Vor 1965
Marcel van Eeden im Museum Schloss Morsbroich in Leverkusen – kunst & gut 08/24
Atem formt Zeit
Alberta Whittle in der Temporary Gallery – Kunst 07/24
Niemals gleich
Roni Horn im Museum Ludwig – kunst & gut 07/24
Tage des Schlafwandelns
„Übergänge des Willens“ im KunstRaum St. Theodor – Kunstwandel 07/24
Das Gewicht der Gedanken
„scheinbar schwerelos“ im Zündorfer Wehrturm – Kunst 06/24