Die Kölner Künstlerin Zrinka Budimlija hat die nördliche KVB-Passage am Ebertplatz in eine öffentliche Ausstellung verwandelt. Leuchtkörper im Gang dienen als Bilderrahmen für die Kunstwerke, die sich den Legenden rund um die vier Kirchen um den Ebertplatz herum widmen.
choices: Frau Budimlija, können Sie Ihre Ausstellung im öffentlichen Raum „Legenden Kölner Frauen“ in wenigen Worten beschreiben?
Zrinka Budimlija: Es ist ein Kunstprojekt in einer vergessenen, nicht beachteten Ecke Kölns, das von Stadtliebe und Feminismus handelt.
Worum geht es und wie kamen sie auf die Idee für dieses Projekt?
Seit 2018 gibt es das Projekt Zwischennutzung, seitdem floriert der Ebertplatz – zumindest tagsüber im Sommer – und ich bin selbst gerne da. Durch Freunde mit Galerien dort fühle ich mich mit dem Ebertplatz verbunden. Als mir jemand vorschlug, ich solle doch ein Kunstprojekt für den Ebertplatz machen, wusste ich zunächst nicht, wohin mit meiner Malerei im öffentlichen Raum. Als ich dann nochmal dorthin gefahren bin, waren das Erste, was ich sah, als ich aus der Bahn stieg, die Leuchtkästen im KVB-Gang. Es ist eigentlich perfekt – wie eine Galerie, die darauf wartet, bespielt zu werden. – Ich bin seit 20 Jahren in Köln und ich finde, Köln heißt einen sofort willkommen. Aber die Stadtgeschichte erschließt sich einem nicht so einfach. Es ist so viel zerstört worden, man muss sich auskennen und der kölsche Dialekt ist auch nicht einfach. Als ich mich dann in die Stadtgeschichte eingelesen habe, fühlte ich mich mit der Stadt umso verbundener, je mehr ich erfahren habe. Wie mit einem Menschen, den man richtig kennenlernt.– Ich habe dann nach interessanten Geschichten für ein Kunstprojekt gesucht.Es gibt vier Kirchen um den Ebertplatz herum, im Süden, Osten, Westen und Norden. Diese sind Mittelpunkte der Veedel. Mich interessierten die Menschen, bzw. vor allem Frauen hinter den Kirchen und deren Geschichten. Das Thema Frauen und wie man diese sieht, ist sowieso mein Dachthema. Jede Kirche prägt einen Teil meiner Arbeit. Insgesamt sind es 17 Bilder und 5 Texttafeln, verteilt auf 22 Flächen. Die Geschichte um Ursula nimmt den größten Teil der Ausstellung ein, als Schutzpatronin von Köln ist sie quasi die Chefin.
„Ich fühlte mich mit der Stadt umso verbundener, umso mehr ich über sie erfahren habe“
Was sind das für Frauen und Geschichten, die sie portraitiert haben?
Ausgangspunkte meiner Arbeit sind die St. Ursula-Kirche und die Ursula-Legende, die Geschichte rund um den Kunibertsbrunnen und die St. Kuniberts Kirche, die Geschichte von Agnes, der die St. Agnes Kirche gewidmet ist und die Geschichte von Gertrud und der St. Gertrud Kirche.
Für die Ursula-Legende habe ich nach einem Aufruf elf Frauen aus der Umgebung des Ebertplatzes portraitiert. Die Frauen sind unterschiedlichen Alters und Herkunft und stehen stellvertretend für Ursula und die zehn Frauen, die Ursula mit auf die Reise genommen hat. Ich habe sie gebeten, für das Bild an schwere Entscheidungen oder an etwas, wo sie Stärke zeigen mussten, zu denken. So schließt sich der Bogen zu heute. Es gibt ja keine Fotos aus der Zeit, die ich als Vorlage hätte nutzen können.
Agnes Roeckerath zeige ich als junge und alte Frau in einem Doppelportrait. Die Bilder basieren auf alten Fotos. Nur wenige wissen, dass die St. Agnes Kirche einer Frau – Agnes – aus dem 19. Jahrhundert gewidmet ist. Sie war eine Hausfrau und Mutter, die Ehefrau vom Bauunternehmer Peter Joseph Roeckerath, der durch ihr Vermögen erfolgreich geworden ist. Die Kirche sollte ihre Grabkirche sein. Jetzt ist es aber bezeichnenderweise genau umgekehrt: Er ist in der Kirche begraben und sie auf dem Melaten-Friedhof.
Unter der Kunibertskirche ist ein Brunnen. Von diesem hat man im Mittelalter geglaubt, dass dort Wiesen sind, wo die Maria Mutter Gottes auf die Kinderseelen aufpasst. Wenn eine Frau einen Kinderwunsch hatte, musste sie um Mitternacht von diesem Brunnen trinken und konnte ihr Kind dann abholen. Daher gibt es den Spruch: „Jeder echte Kölner ist am Kunibertsplatz getauft.“ Statt des Kunibertsbrunnens habe ich stellvertretend eine wasserkinetische Plastik gemalt, also einen irdischen Raum, wo irdische Kinder toben und Freude empfinden können.
Die St. Gertrud Kirche ist relativ jung und ein Kulturkirche. Ich finde die Geschichte von Getrud spannend, sie verbindet das Veedel, seine Geschichten und Personen. Getrud wird oft mit einer Spindel dargestellt, deren Fäden im symbolischen Sinne Menschen und Lebenswege miteinander verbinden.
„Die Geschichten von Frauen werden aus einem Blickwinkel der Passivität und Schwäche erzählt“
Denken Sie, starke Frauen finden in der Geschichtsschreibung zu wenig Aufmerksamkeit?
Ja. Und die Geschichten von Frauen, die erzählt werden, werden aus einem Blickwinkel der Passivität und Schwäche erzählt. Zum Beispiel liegt bei Ursula die Betonung immer auf Jungfräulichkeit, Frömmigkeit und Martyrium, dabei war sie der Legende nach eine sehr durchsetzungsstarke, mutige und politisch kluge Frau.
Welche Bedeutung hat der Ort des Kunstwerks, die KVB Passagen, für das Kunstwerk?
Der Ort hat für mich die Bedeutung, Schönheit in unscheinbaren Dingen zu finden. Der Ebertplatz ist geprägt vom Architekturstil des Brutalismus, und damit nicht besonders lieblich.
Ihre Bilder sind häufig in Blautönen gehalten, so auch die Legenden Kölner Frauen. Hat das einen bestimmten Grund?
Ja, früher habe ich oft verstorbene Menschen portraitiert. Blau war für mich die Farbe der Erinnerung, wie in einem Äther oder „Nicht-Raum“. Diese Arbeit weicht farblich etwas ab, nur die Arbeiten zu Ursula sind komplett blau. Hier habe ich die Farbe nicht gewählt, weil die Personen nicht mehr da sind, sondern weil sie für mich in eine Art Erinnerungsort gehen – wie eine Brücke zu damals.
Zrinka Budimlija: Legenden Kölner Frauen | bis 31.3. | KVB-Passage Ebertplatz | unser-ebertplatz.koeln
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