Ein Wasserfall aus Dosen. Flimmern aus allen Ecken. Hochglanzfotos auf Alu-Dibond. Die Künstler in den Metropolen Afrikas scheinen strategisch in der Kunstwelt der Ist-Zeit angekommen. Aber in der Ausstellung „Afropolis“ pulsiert ein Leben, das nur auf den ersten Blick und maximal marginal mit den Megacities der Industriewelt mithalten kann und will. Kairo, Lagos, Nairobi, Kinshasa und Johannesburg sind so anders, so archaisch, so mitreißend. Die erste Sonderschau im Neubau des Kölner Rautenstrauch-Joest-Museums präsentiert aktuelle Arbeiten von aus Europa und Afrika stammenden Künstlerinnen und Künstlern unterschiedlicher Genres, zwischen künstlerischen Recherchen, dokumentarischem Material und künstlerischer Reflexion. Es werden Arbeiten aus den Bereichen Grafik, Malerei, Fotografie, Skulptur, Installation, Film- und Videokunst, aber auch Design, Comics und Weblogs gezeigt. Eine kritische Auseinandersetzung zwischen Multimedia und Kolonialismus, großartig inszeniert, bildet nur eine Etage unter den musealen Sammlungen von afrikanischen Holzspeeren und Ritualmasken.
24 Lote aus Drahtgeflecht an roten Hanfseilen sind das zentrale Dreh- und Anstoßelement im weißen Raum. Wenn man sie leicht anstößt, gerät der Kreis, in dem sie aufgehängt sind, aus der Geometrie, dann bringen die Objekte die Verhältnisse ins Wanken (Liz Mields-Kratochwill, 2008).
Ganz aktuell ist die Eröffnung des Kulturquartiers am Neumarkt. Dort wo sich früher die Haubrich-Kunsthalle mit dem Kölnischen Kunstverein befand und sehr lange nur ein riesiges Loch zu bestaunen war, ist nun das Rautenstrauch-Joest-Museum hingezogen, gemeinsam mit dem Museum Schnütgen unter einem Dach; dessen sanierter Anbau leitet zur romanischen Kirche St. Cäcilien mit dem Cäciliengarten. Mit St. Peter und seinen Ausstellungen auf der einen Seite und auf der anderen mit dem Forum der Volkshochschule findet hier – hoffentlich – ein Dialog der verschiedenen Kulturen der Welt bis in die Gegenwart und noch mit den Zeugnissen des Mittelalters statt. Mal sehen, ob sich das Warten gelohnt hat.
Nach der Sommerpause melden sich Düsseldorf und Köln als herausragende Kunststädte am Rhein eindrucksvoll und gemeinsam zurück.
Die Sensation sieht man im Skulpturenpark zunächst nicht. Aus einem zylindrischen Krater ragt eine Metallstange: Von oben blickt man auf ein Autowrack, das sich durch einen Aufprall um diese Stange gewickelt hat und sozusagen den schrecklichen Unfall konserviert. Der Betrachter wird zum Voyeur. Über einen Steg, der an der Wand entlang in die Tiefe verläuft, sieht er das Auto aus allen Perspektiven und schließlich von unten. Minutiös wird potentielle Sensationsgier rekonstruiert, zugleich formuliert sich ein erstklassiges Kunstwerk unserer Tage, das Geschwindigkeitswahn und die Grenzen des Fortschritts thematisiert. Für das Werk von Dirk Skreber ist die Arbeit konsequent: Skreber ist eigentlich Maler, der auf riesengroßen Leinwänden realistisch Katastrophen wiedergibt und sich zuletzt, in Ausschnitten, besonders Fahrzeugcrashs zugewendet hat. Daneben hat Skreber seine Gemälde immer wieder in architektonischen Konstruktionen inszeniert, bis sich diese selbst als eigener künstlerischer Beitrag erwiesen, nun ganz ohne Malerei.
Eine Ausstellung mit Gewinn. Das Käthe Kollwitz Museum zeigt ganz viele gerahmte Bilder im moderaten Format, meist in s/w – und alle diese Werke lassen sich dem Bereich der Zeichnung zurechnen. Aber schon der Titel „aus/gezeichnet/ zeichnen“ teilt mit, dass hier unterschiedliche Richtungen eingeschlagen werden. Zeichnung ist eine große Kunst, die auch deshalb so anregend ist, weil sie alles und nichts sein kann, ausufernd und sparsam ist und in der Schnelligkeit ihrer Entstehung etwas Persönliches bewahrt und einen tieferen Blick auf den Künstler zulässt.
Sein Blick ist neugierig, wach und immer auf der Suche. Wolf Birke beguckt sich die Welt am liebsten durch ein Objektiv. Mit einer Serie ungewöhnlicher Impressionen legt der Fotograf jetzt eine besondere Ansicht „seiner Stadt“ vor. Wuppertal ist keine Sonntagsstadt. Die Stadt hat viele Gesichter, nicht alle sind schön. Und dass in Wuppertal viel Anfang ist, zeigen engagierte Projekte, so beispielsweise die Aktion Nordbahntrasse. Um dieses Projekt zu fördern, hat der Wuppertaler Fotograf Wolf Birke Bilder der Stadt entwickelt, wie es sie bisher nicht gab. Sechs Motive zeigen Sehenswürdigkeiten von Wuppertal als Grafiken im Stil der Reklame-Ästhetik, wie sie in den 1920er Jahren üblich war. „Diese Stadt hat Zukunft. Meine Bilder zeigen das heutige Wuppertal, aber im Licht der Aufbruchsstimmung zu Zeiten der Stadtgründung“, sagt Birke. Motive über Wuppertal gibt es, wie er sagt, in einer Irrsinnsmenge. „Aber die waren mir alle zu beliebig. Die fotografische Versorgung mit Ansichtskarten war mir zu belanglos.“ Was für den 1951 in Ahlhorn Geborenen und zweijährig mit der Familie nach Wuppertal Gezogenen („Ich bin Wuppertaler“) bei all seinem Tun wichtig ist, ist Originalität. Allerdings ohne großes Tamtam. „Ich wollte Wahrzeichen, die schon tausendmal gezeigt worden sind, neu präsentieren.“ Vor gut einem Jahr hatte er begonnen, den Laurentiusplatz aus anderer Perspektive zu betrachten. Für ihn war dabei „das Motiv wichtiger als der Gedanke, es allen recht machen zu wollen“. Dass die Auswahl in der Postkartenserie jetzt auf drei Barmer, ein Elberfelder und zwei stadtteilungebundene Motive gefallen ist, sei purer Zufall. Die Zusammenstellung gefällt ihm, allerdings „schlägt sich der Wunsch nach Originalität nicht in Kommerz nieder“. Auch hier ist er Realist, das Geld wird anderswo verdient. „Es gibt immer einen Kreis von Leuten, die das, was ich mache, toll finden. Doch davon kann ich nicht leben.“ Als frustrierend empfindet er diese Tatsache nicht, „das wäre ein Kampf gegen Windmühlen“. Seinen Beruf ordnet er mehr als Handwerk denn als Kunst ein. „Sicher bin ich ein talentierter Fotograf. Aber kein Fotokünstler. So würde ich mich nie bezeichnen.“ Nebenbei findet er manches bei den selbsternannten Fotokünstlern mit ihren „unfassbaren Honoraren grotesk übertrieben“. Darüber kann er lachen.
Sie besuchen eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst. Die Kunstwerke überraschen Sie, teilweise sind Sie beeindruckt, manchmal auch erschreckt und fragen sich bisweilen, was ist die Intention des Künstlers? Die Ausstellung weckt Ihr Interesse, sie entdecken Neues und wähnen alsbald den Besuch für beendet. Sie freuen sich auf den Kaffee und den Kuchen im Museumscafé. Plötzlich bewegt sich eine Person des Aufsichtspersonals durch den Raum und stellt sich vor eine weiße Wand, an welcher zufälligerweise kein Bild hängt. Die Person beginnt, lasziv ihren Körper zu bewegen, das Halstuch und nach und nach andere Kleidungsstücke abzulegen und vollzieht einen Striptease, bei dem nicht alle Hüllen fallen. Sie wären überrascht, oder?
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